Aktuelle Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht

 

Kammergericht, Beschluss vom 07.09.2023 – 23 U 41/23

Kein Gutglaubensschutz der Gesellschafterliste nach Aufstockungen

 

Das Kammergericht hat entschieden, dass eingezogene Geschäftsanteile, deren Nennwert bei den übrigen Gesellschaftsanteilen einer GmbH zugeschrieben wurde, nicht nach § 16 Abs. 3 S. 1 GmbHG gutgläubig erworben werden können. Ziel des Gesetzgebers der MoMiG im Jahr 2008 war es, durch verbesserte Transparenz hinsichtlich des Gesellschafterkreises bei Unternehmenskäufen den an der Abtretung beteiligten Personen die Mühen, Kosten und Unsicherheiten der Rückverfolgung insbesondere bei langen Abtretungsketten zu ersparen. Daher wird die Gesellschafterliste bei Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsverträgen im GmbH-Recht üblicherweise als Anlage beigefügt. Rechtsscheinträger ist die gemäß § 40 in das Handelsregister aufgenommene materiell unrichtige Gesellschafterliste, der Erwerber eines Geschäftsanteils wird in seinem Vertrauen darauf geschützt, dass die in der Gesellschafterliste „als Inhaber des Geschäftsanteils“ verzeichnete Person tatsächlich Gesellschafter ist.

Die Zuordnung eines Widerspruchs kann derjenige, zu dessen Nachteil eine Eintragung in die Liste vorgenommen wurde, gemäß § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG aufgrund einer einstweiligen Verfügung selbst veranlassen, und so den Gutglaubensschutz eines Dritten selbst zerstören.

Das Kammergericht hat im Jahr 2023 einen Fall zu entscheiden, bei dem in einem Gesellschafterstreit die Geschäftsanteile eines Gesellschafters an der GmbH gegen dessen Willen eingezogen wurden. Der von der Einziehung betroffene Gesellschafter den Einziehungsbeschluss und die Amortisation, d.h. die Vernichtung seiner Anteile nach § 34 GmbHG für unwirksam hielt, beantragte die Zuordnung eines Widerspruchs zu der neuen Gesellschafterliste mit den quotal aufgestockten Geschäftsanteilen der verbliebenen Gesellschafter beim Handelsregister nach § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG.

Da der von der Einziehung betroffene Gesellschafter den Einziehungsbeschluss und die Amortisation seiner Anteile für unwirksam hielt, beantragte er die Zuordnung eines Widerspruchs zu der neuen Gesellschafterliste gem. § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG.

Das Kammergericht Berlin versagte dem Kläger jedoch die Möglichkeit der Zuordnung eines Widerspruchs, da keine Fehlerhaftigkeit der Gesellschafterliste im Hinblick auf die Inhaberschaft der Geschäftsanteile, sondern allein im Hinblick auf deren Nennwert vorliege. Der Nennwert der Geschäftsanteile sei vom Gutglaubensschutz der Gesellschafterliste nicht erfasst.

 

Anmerkung von Dr. Sven Claussen, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht:

Der Beschluss des Kammergerichts zeigt erneut, dass im Gesellschafterstreit der „Kampf um die Gesellschafterliste“ im einstweiligen Rechtsschutz dadurch zu führen ist, dass der von der Einziehung betroffene Gesellschafter die Eintragung in die Liste verhindert (BGH, Urteil vom 2.7.2019 – II ZR 406/17 – Rn. 39) oder aber sich gegen eine bereits erfolgte Eintragung wendet, mit dem Ziel, bis zur Entscheidung in der Hauptsache als Gesellschafter behandelt zu werden. Im Gesellschafterstreit ist daher sehr schnell zu agieren und bereits vor der Gesellschafterversammlung ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorzubereiten, der direkt nach der Gesellschafterversammlung eingereicht wird. Nach unserer Erfahrung neigen die Gerichte dazu, zunächst den Status quo zu sichern. Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung durch den Gerichtsvollzieher in den Geschäftsräumen der beklagten GmbH, bewirkt oft psychologisch eine Veränderung bei den die Einziehung betreibenden Gesellschaftern , so dass bereits im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens die erste Möglichkeit für die Verhandlung von Lösungen besteht.

 

 

BGH, Urteil vom 26. September 2018 - VII ZR 187/17

 

 

 

Ein Unternehmenskauf (Sachkauf) liegt selbst dann nicht vor, wenn ein Käufer, der bereits 50% der Mitgliedschaftsrechte an einer GmbH hält, weitere 50% der Geschäftsanteile der Gesellschaft hinzuerwirbt.

 

 

Der Bundesgerichtshof wendete in seiner Entscheidung erstmals die im Rahmen der Schuldrechtsreform 2001 neu gefassten §§ 434 ff. BGB auf den Anteils- und Unternehmenskauf an und bestätigt dabei entgegen einiger Befürchtungen in der Literatur einen bestehenden Grundsatz: Bei Mängeln des Unternehmens finden die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB Anwendung, wenn sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an dem Unternehmensträger erworben werden und sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kauf des Unternehmens selbst vorliegt.

 

 

Der Senat präzisierte diesen Grundsatz sodann und stellt fest, dass es selbst dann bei einem reinen Anteilskauf (Rechtskauf) bleibt, wenn der Käufer seine Gesellschaftsanteile durch den Erwerb von 50% auf 100% aufstockt. Der Senat begründet dies damit, dass es alleine auf den Kaufgegenstand und nicht auf den durch den Erwerb herbeigeführten Zustand ankomme.

 

 

Die Einordnung in Unternehmens- (Sachkauf-) oder Anteils- (Rechtskauf) kann erhebliche Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Parteien haben.

 

 

Der Senat bestätigt zugleich die frühere Rechtsprechung, wonach der Verkäufer ohne besondere Vereinbarung grundsätzlich nur für den Bestand des Rechts (Verität) und gerade nicht auf die Güte des Gegenstandes, auf die sich das Recht bezieht, einzustehen hat und wendete diese auf den reinen Anteilskauf als Rechtskauf an. Dies begründet der Senat damit, dass der Erwerber von Mitgliedschaftsrechten an einer Gesellschaft gerade kein unmittelbares Recht an dem Unternehmen erwerbe, sondern auf dieses nur über seine Gesellschafterrechte Einfluss nehmen kann.

 

 

Im dem BGH vorliegenden Fall bedeutete dies, dass die Überschuldung und die Insolvenzreife der Gesellschaft selbst dann keine kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte auslösen, wenn eine Auflösung der Gesellschaft droht. Denn der Anknüpfungspunkt der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte ist bei einem reinen Anteilskauf alleine der Geschäftsanteil selbst, sodass ein Rechtsmangel nur angenommen werden kann, wenn der Bestand der Anteile beeinträchtigt ist. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte wegen eines Sachmangels an der Gesellschaft kommen daher bei einem reinen Anteilskauf von vornherein nicht in Betracht.

 

 

Soweit die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte wegen eines Sachmangels nicht greifen, entfaltet sich auch die Sperrwirkung der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte nicht, mit der Folge, dass die allgemeinen Vorschriften anzuwenden sind. Im vom BGH zu entscheidenden Fall lag die Insolvenzreife des Unternehmens damit außerhalb des Gewährleistungsrechts. Weil auch durch die Parteivereinbarungen die gesetzliche Gewährleistungen nach Auffassung des Senats nicht umfassend ausgeschlossen wurden, verwies der Senat die Sache an das OLG Karlsruhe zurück zur Feststellung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorliegen. Ein Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung sei dann nicht umfassend,  wenn im Anteilskaufvertrag keine näheren Angaben zur wirtschaftlichen Lage und damit zur Frage enthalten sind, wer das Risiko einer Störung des Äquivalenzinteresses von Leistung und Gegenleistung zu tragen hat.

 

 

 

 

 

Anm. Rechtsanwalt Dr. Claussen:

 

 

Der BGH hat erstmals eine Leitentscheidung zu grundlegenden Fragen des Anteilskaufs getroffen und damit Rechtssicherheit geschaffen. Für die rechtsberatende Praxis bleibt es dabei, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die Vertragsgestaltung beim Beteiligungserwerb legen muss. Die Folgen der Einordnung in Rechts- oder Sachkauf können wie der Fall erneut aufzeigt, erhebliche Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Parteien haben. Es sollten bei der Vertragsgestaltung beide Konstellationen erörtert und die Interessen der Parteien umfassend berücksichtigt werden. Auch die Feststellung des Senats zum vereinbarten Gewährleistungsausschluss verdient Beachtung. Durch eine umfassendere Formulierung im Vertrag hätte hier von vornherein mehr Rechtssicherheit für die Parteien erreicht werden könne.

 

 

 

BGH,  Urteil vom 8.11.2016, II ZR 304/15

AktG § 121 Abs. 2 S. 2

 

 

Keine entsprechende Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2  AktG auf Einberufungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers

 

 

§ 121 Abs. 2 S. 2 AktG ist auf die Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers einer GmbH nicht entsprechend anwendbar.

 

§ 121 Abs. 2 AktG lautet:

 

 

Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand einberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt. Personen, die in das Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, gelten als befugt. Das auf Gesetz oder Satzung beruhende Recht anderer Personen, die Hauptversammlung einzuberufen, bleibt unberührt.“

 

 

Nach Auffassung des BGH rechtfertigen die unterschiedliche Interessenlage und die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft einerseits und der GmbH anderseits die analoge Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG auf die GmbH nicht.

 

 

In dem den Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt war der Kläger Gesellschafter der beklagten GmbH. Der Kläger hielt einen Geschäftsanteil i.H.v. 49 % des Stammkapitals. Der Mitgesellschafter Der Mitgesellschafter B.L. hielt zunächst einen Geschäftsanteil i.H.v. 31 %. Dessen Vater P.L., zugleich Onkel des Klägers, hielt einen Geschäftsanteil i.H.v. 20 %. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten waren der Kläger und B.L. Der Kläger legte sein Geschäftsführeramt zum 30.6.2011 nieder. Im Jahr 2013 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger auf der einen Seite sowie B.L. und P.L. auf der anderen Seite.

 

 

Mit Schreiben vom 3.2.2014 verlangte der Kläger von B.L. als Geschäftsführer der Beklagten die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung u.a. zwecks Abberufung des B.L. als Geschäftsführer. Nachdem B.L. dies mit Schreiben vom 20.2.2014 abgelehnt hatte, lud der Kläger mit Schreiben vom 25.2.2014 B.L. und seinen damals noch als Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragenen Vater P.L. zu einer Gesellschafterversammlung am 7.3.2014. P.L. trat durch notariellen Vertrag vom 5.3.2014 seinen Geschäftsanteil an seinen Sohn B.L. ab. Die neue Gesellschafterliste wurde am 13.3.2014 in den Registerordner des Handelsregisters aufgenommen. In der Gesellschafterversammlung vom 7.3.2014, an der P.L. nicht teilnahm und in der der Kläger die Versammlungsleitung übernahm, wurden u.a. die Abberufung von B.L. , die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags sowie die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer beschlossen und von dem Kläger als Versammlungsleiter festgestellt.

 

 

Die von B.L. hiergegen erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage blieb erfolglos. Mit Beschluss vom 21.6.2016 (II ZR 148/15) wies der II. Zivilsenat die Nichtzulassungsbeschwerde von B.L. gegen das klageabweisende Urteil des OLG Köln zurück (18 U 181/14). Der Versuch des Klägers, die am 7.3.2014 gefassten Beschlüsse im Handelsregister eintragen zu lassen, blieb erfolglos. Jedoch untersagte das LG Köln durch Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren vom 31.3.2014 B.L., die Geschäfte der Beklagten zu führen und die Beklagte zu vertreten, sofern der Kläger nicht zuvor schriftlich zugestimmt habe. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Anfechtungsverfahren wurden seine Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht dahingehend eingeschränkt, dass mit sofortiger Wirkung nur noch Gesamtvertretungsmacht und Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Geschäftsführer der Beklagten bestehe.

 

 

 

B.L., handelnd als Geschäftsführer der Beklagten, lud den Kläger mit einem Schreiben vom 11.6.2014 zu einer Gesellschafterversammlung am 20.6.2014 ein und kündigte als Tagesordnungspunkte u.a. eine Beschlussfassung über die Bestellung seines Vaters P.L. zum Geschäftsführer der Beklagten mit Alleinvertretungsmacht und über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer an. An der Gesellschafterversammlung nahmen als die (nunmehr) einzigen Gesellschafter sowohl der Kläger als auch B.L. teil. In der Versammlung wurden jeweils gegen die Stimmen des Klägers und ohne Rücksicht auf seine u.a. die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung betreffenden Rügen die in der Einladung angekündigten Beschlüsse über die Bestellung von P.L. zum Geschäftsführer und über die Abberufung des Klägers gefasst und festgestellt.

 

Das LG gab der Klage, mit der der Kläger die am 20.6.2014 gefassten Beschlüsse angreift, statt und erklärte die Beschlüsse vom 20.6.2014 für unwirksam. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Das OLG änderte das angefochtene Urteil im Sinne einer Nichtigkeitsfeststellung der Beschlüsse vom 20.6.2104 anstelle einer Nichtigerklärung ab. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

 

 

Die Begründung des BGH war wie folgt:

 

 

Das OLG habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass B.L. zur Einberufung der Gesellschafterversammlung vom 20.6.2014 nicht befugt war. Fehlt dem Einberufenden die Befugnis zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung, führt dies zur Unwirksamkeit der Einladung und Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG.

 

Das OLG hatte eine Einberufungsbefugnis des B.L. aus § 49 GmbHG zu Recht verneint.

 

 

Nach dieser Vorschrift wird die Versammlung der Gesellschafter durch den Geschäftsführer berufen. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, so steht die Einberufungskompetenz selbst bei Gesamtgeschäftsführung und -vertretung jedem einzelnen Geschäftsführer zu. B.L. war im Zeitpunkt der Einberufung der Gesellschafterversammlung zum 20.6.2014 mit Schreiben vom 11.6.2014 nicht (mehr) Geschäftsführer der Beklagten. Er war mit Gesellschafterbeschluss vom 7.3.2014 wirksam als Geschäftsführer abberufen worden. Die Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage von B.L., der den ihn betreffenden Abberufungsbeschluss vom 7.3.2014 als einziger Gesellschafter innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG angefochten hat, war nämlich letztinstanzlich ohne Erfolg geblieben.

 

 

Die Einberufungsbefugnis des B.L. ergab sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach Personen, die im Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, als zur Einberufung der Hauptversammlung befugt gelten. Es ist umstritten, ob der abberufene Geschäftsführer einer GmbH eine Gesellschafterversammlung einberufen darf, wenn er wie hier im Zeitpunkt der Einberufung noch im Handelsregister eingetragen ist. Teilweise wird vertreten, § 121 Abs. 2 S. 2 AktG sei auf eine GmbH analog anzuwenden mit der Folge, dass auch ein nicht (mehr) rechtswirksam bestellter Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einberufen darf, wenn er im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen ist. Andere sprechen sich gegen eine analoge Anwendung aus.

 

 

Der BGH lehnte eine analoge Anwendung ab, da die unterschiedliche Interessenlage und die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der AG einerseits und der GmbH anderseits die analoge Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG auf die GmbH nicht rechtfertigen. Die Vorschrift fingiere im Interesse der Rechtssicherheit die Vorstandseigenschaft von zu Unrecht im Handelsregister eingetragenen Vorstandsmitgliedern. In einer AG sind die Aktionäre in die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern in der Regel nicht eingebunden. Aus diesem Grund besteht ein Interesse der Aktionäre daran, aufgrund der Eintragung im Handelsregister die Berechtigung zur Einberufung überprüfen und so jedenfalls insoweit Rechtssicherheit erlangen zu können, als die Einberufung jedenfalls dann wirksam ist, wenn eingetragene Vorstandsmitglieder daran mitgewirkt haben.

 

 

Dieser Gesichtspunkt kommt bei der Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers einer GmbH nicht zum Tragen. Den Vorgängen um die Bestellung bzw. die Abberufung des Geschäftsführers stehen die Gesellschafter der GmbH näher als die Aktionäre den Vorgängen um die Bestellung und Abberufung eines Vorstands. Der Vorstand der AG wird vom Aufsichtsrat ohne unmittelbare Mitwirkung der Aktionäre bestellt und abberufen (§ 84 AktG), während die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH grundsätzlich den Gesellschaftern selbst vorbehalten ist (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Die Einladung zu der Gesellschafterversammlung richtet sich anders als bei einer AG, die keine Namensaktien ausgegeben hat - nicht an einen anonymen, sondern an einen namentlich bekannten Gesellschafterkreis und erfolgt schriftlich, nicht durch Bekanntmachung. Insgesamt ähnelt die Stellung der Gesellschafter einer GmbH damit weniger als die anonymer Aktionäre derjenigen außenstehender Dritter.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Sven Claussen:

 

Bei Gesellschafterstreitigkeiten ist die Frage der Einberufungskompetenz von großer Bedeutung. Der BGH hat hier eine letztlich vernünftige Entscheidung getroffen, da die Situation bei der GmbH und AG doch recht unterschiedlich sind. Entscheidend war hier, dass die Abberufung letztinstanzlich erfolglos war. Dieses Ergebnis konnte nicht über § 121 Abs. 2 S. 2 AktG umgangen werden.

 

 

BGH, Urteil vom 9. Juni 2015

 

Az : II ZR 420/13

 

 

 

BGB §§ 242, 705, 133, 157

 

 

 

1.         Die Grundsätze über die aus Treuepflichtgesichtspunkten folgende Zustimmungspflicht nicht nur bei Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft, sondern auch - bei Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung finden

 

 

 

2.         Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft muss für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten, weil diese Treuepflicht jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent ist. Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 - Sanieren oder Ausscheiden; Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768).

 

 

 

 

 

Sachverhalt (stark verkürzt):

 

 

 

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, verlangt von dem Beklagten mit der Begründung, dieser sei zum 31. März 2011 aus der Gesellschaft ausgeschieden, Zahlung des sich zu seinen Lasten aus der Auseinandersetzungsbilanz ergebenden Fehlbetrags in Höhe von 29.040,01 €.

 

 

 

Die Klägerin wurde 1995 gegründet. Ihr traten circa 600 Gesellschafter mit einem Eigenkapital von 38.373.400 € bei. Die Immobilien des Fonds, jeweils ein Objekt in B. -R. und eines in B. -H. , wurden in den Jahren 1995 bis 1996 errichtet. Hieraus erzielte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und konnte grundsätzlich Mittel aus öffentlicher Förderung durch das Land B. beanspruchen.

 

 

 

Der Beklagte trat der Klägerin mit Zeichnungsschein vom 13./25. November 1996 mit einer Beteiligungssumme von 50.000 DM bei.

 

 

 

Im Jahr 2009 geriet die Gesellschaft in eine Schieflage. Nach Erörterung verschiedener Handlungsoptionen und des erarbeiteten Sanierungskonzepts wurde auf einer Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 2. Dezember 2009 die Sanierung der Gesellschaft nach dem Modell "Sanieren oder Ausscheiden" beschlossen. Danach wurde das bestehende und vollständig verbrauchte Nominalkapital der Gesellschaft von 38.373.400 € um 38.335.026,60 € auf 38.373,40 € (1 Promille) herabgesetzt und sodann eine Kapitalerhöhung um den erforderlichen Sanierungsbetrag um bis zu 36.454.730 € auf 36.493.103,40 € beschlossen. Die Gesellschafter wurden zur freiwilligen Übernahme der Kapitalerhöhung entsprechend ihrer vor der Kapitalherabsetzung bestehenden quotalen Beteiligung aufgefordert. Weiter wurde folgender Beschluss mit einer Mehrheit von 90,71 % gefasst:

 

 

 

"Gesellschafter, die bis zum Einzahlungsstichtag - spätestens jedoch bis zum Sanierungsstichtag - nicht nach Maßgabe der Bestimmungen zu 7.3.2 einen Anteil in Höhe ihres jeweiligen Gesellschafterbeitrags auf den Erhöhungsbetrag übernommen und (durch Zahlung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung) bewirkt haben, scheiden mit dinglicher Wirkung mit dem Ablauf des Sanierungsstichtags, mit schuldrechtlicher Wirkung mit dem auf den Sanierungsstichtag vorangehenden Tag, 24.00 Uhr, aus der Gesellschaft aus, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedarf."

 

 

 

Der Beklagte stimmte dem Beschluss nicht zu und beteiligte sich nicht an der von der Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossenen freiwilligen Übernahme der Kapitalerhöhung. Die auf den Sanierungsstichtag, den 31. März 2011, durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellte Auseinandersetzungsbilanz ergab einen Bilanzfehlbetrag von 42.061.540,54 €. Entsprechend seiner zum Sanierungsstichtag bestehenden Beteiligung von 0,067755 % ergibt sich hieraus ein Fehlbetrag zu Lasten des Beklagten in Höhe von 29.040,01 €.

 

 

 

Der BGH unterstellt revisionsrechtlich die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft sowie ein dem Beklagten zuzumutendes Ausscheiden zu unterstellen. Dann war der Beklagte aus gesellschafterlicher Treuepflicht verpflichtet, dem Beschluss über die Ausschließung der nicht sanierungswilligen Gesellschafter, mithin dem Beschluss über seine Ausschließung, zuzustimmen.

 

 

 

Er führt aus, dass zur Annahme der Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin nicht erforderlich ist, dass sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits zahlungsunfähig war; vielmehr reicht eine in absehbarer Zeit konkret drohende Zahlungsunfähigkeit, wie sie hier von der Klägerin zum Ende des Jahres 2010 behauptet worden und zu ihren Gunsten revisionsrechtlich zu unterstellen ist, aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 1, 24).

 

 

 

Nach dem BGH war der Beklagte aus gesellschafterlicher Treuepflicht zur Zustimmung zu der von der Gesellschafterversammlung mit der erforderlichen Mehrheit von über 75 % beschlossenen Sanierungsregelung und der damit verbundenen Ausscheidensfolge verpflichtet und muss sich daher so behandeln lassen, als hätte er ihr zugestimmt. Der Beklagte handelt treupflichtwidrig, wenn er zwar an den Sanierungsbemühungen der Klägerin nicht teilnehmen, aber in der Gesellschaft bleiben will.

 

 

 

Zwar ist der Gesellschafter zwar im Allgemeinen nicht verpflichtet, einem auf sein Ausscheiden gerichteten Beschluss der Gesellschafterversammlung zuzustimmen. Der BGH geht davon aus, dass sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen für jeden einzelnen Gesellschafter aus der gesellschafterlichen Treuepflicht etwas Abweichendes ergeben kann. Eine Zustimmungspflicht kommt danach in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist. Die Verpflichtung eines einzelnen Gesellschafters, einer notwendig gewordenen Änderung zuzustimmen, ist daher anzunehmen, wenn dem schützenswerte Belange des einzelnen Gesellschafters nicht entgegenstehen.

 

 

 

Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang; der einzelne Gesellschafter ist nur insoweit verpflichtet, wie er es im Gesellschaftsvertrag versprochen hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21 mwN). Der Gesellschaftsvertrag muss jedoch für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten. Diese Treuepflicht ist jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent. Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen. Enthält ein Gesellschaftsvertrag solche die Zustimmungspflicht einschränkende oder modifizierende Regelungen, dürfen die Mitgesellschafter nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass sie einen Gesellschafter ohne seine Zustimmung ausschließen können. Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis insoweit keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen.

 

 

 

Solange der Gesellschaftsvertrag, wie hier - anders als im Fall der BGH-Eentscheidung vom 25. Januar 2011 (II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 ff.) - keine die Erwartungshaltung der sanierungswilligen Gesellschafter einschränkende Regelung bezüglich der Zustimmung der nicht sanierungswilligen Gesellschafter zu ihrem Ausscheiden enthält, bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass die gesellschafterliche Treuepflicht in jedem Gesellschaftsverhältnis auch ohne entsprechende Regelung ergeben kann, dass die Gesellschafter in besonders gelagerten Ausnahmefällen verpflichtet sind, einem ihre Gesellschafterstellung aufhebenden Beschluss der Gesellschafterversammlung zuzustimmen.

 

 

 

BGH, Urteil vom 02.12.2014

 

Az.:      II ZR 322/13

 

GmbHG §§ 34, 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG

 

 

 

Der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils ist nicht deshalb nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhindern.

 

 

 

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.12.2013, Az.: 3 K 1632/12

 

Haftung des GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Lohnsteuer

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 10.12.2013 entschieden, dass der (Mit-) Geschäftsführer einer GmbH nach dem Prinzip der Gesamtverantwortung grundsätzlich für nicht an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer. Das Prinzip der Gesamtverantwortung verlange zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn eine im Vorhinein getroffene, eindeutige und schriftlich fixierte Geschäftsverteilung mit einem weiteren Geschäftsführer vorliege.

 

Der Mitgeschäftsführer müsse sicherstellen, dass er von einer finanziellen Krisensituation erfahren und dann seiner gesteigerten Überwachungspflicht nachkommt, denn dann lebe auch bei einer schriftlichen Aufgabenverteilung die Gesamtverantwortung des Klägers wieder auf.

Die Einbindung einer Steuerberaterin entbinde den Mitgeschäftsführer nicht von der Pflicht, sich darüber zu informieren, ob sämtliche steuerlichen Verpflichtungen erfüllt werden. Wenn die Liquidität der Gesellschaft nicht für die Zahlungen von vollen Löhnen und die Abführung von Lohnsteuern ausreiche, müsse der Mitgeschäftsführer dafür sorgen, dass nur gekürzte Löhne bei gleichzeitiger Abführung von Lohnsteuern gezahlt werden.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen

Das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz untermauert anschaulich, dass Geschäftsführer auf keinen Fall Nettolöhne in der Krise zahlen dürfen. Die Inanspruchnahme durch das Finanzamt erfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit. Eine interne Geschäftsverteilung hat letztlich wenig Wert, wenn die Gesellschaft in die Krise gerät. Ein Geschäftsführer sollte daher, auch wenn er z.B. nur für den Bereich Technik zuständig ist, die Finanzen der Gesellschaft laufend mit überwachen.

BGH, Urt. v. 18.01.2010, Az. II ZR 61/09

GmbHG § 11

Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung nur bei komplett "leerer Hülse" und nicht bei nur zeitversetzter Unternehmensgründung

 

a) Eine Mantelverwendung, auf die die Regeln der sog. "wirtschaftlichen Neugründung" anwendbar sind, kommt nur in Betracht, wenn die Gesellschaft eine "leere Hülse" ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs - sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets - in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann.

b) Eine "leere Hülse" in diesem Sinne liegt dann nicht vor, wenn die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit im Rahmen des statutarischen Unternehmensgegenstandes entfaltet (Fortführung von BGHZ 155, 318).

Der klagende Insolvenzverwalter nahm  den zu 50 % an der Schuldnerin beteiligten Beklagten aus Unterbilanzhaftung in Anspruch. Die Schuldnerin nahm ihre Geschäftstätigkeit (Sprachenschule) erst nach längerer Vorbereitungszeit auf.

Zu Recht haben das LG und OLG die Klage abgewiesen, da es sich nur um eine zeitversetzte Umsetzung eines Unternehmenskonzepts und nicht um eine wirtschaftliche Neugründung mit einem „komplett leeren“ Mantel gehandelt habe.

Der BGH hat die Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren verweigert, da die Revision vom Berufungsgericht zu Unrecht zugelassen worden ist und die gefällte Entscheidung richtig war. Es fehlt nämlich an der „leeren Hülse“ als Merkmal der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung.

BGH, Beschluss v. 18.01.2010, Az. II ZR 04/09

BGB § 328

Abfindungsansprüche von Gesellschaftern bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen

Mit Beschluss vom 15.3.2010 hat der BGH entschieden, dass Gesellschafter einer GmbH im Wege einer schuldrechtlichen Nebenabrede im Interesse der Gesellschaft abweichend von einer Satzungsbestimmung eine geringere Abfindungshöhe für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft vereinbaren können. In dem entschiedenen Fall wurde dem Mitarbeiter ein Gesellschaftsanteil zu einem geringen Preis im Rahmen eines Mitarbeitermodells überlassen, damit dieser erschwinglich war. Insofern sollte nach der schuldrechtlichen Vereinbarung die Abfindungshöhe auf den Kaufpreis beschränkt sein.

Nach dem BGH konnte kann die Gesellschaft diese Abrede gemäß § 328 BGB einem Gesellschafter entgegenhalten, der trotz seiner schuldrechtlichen Bindung aus der von ihm mit getroffenen Nebenabrede auf die in der Satzung festgelegte höhere Abfindung klagt.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen: Es ist anerkannt, dass Gesellschafter Rechtsverhältnisse in oder zu der Gesellschaft auch außerhalb des Gesellschaftsvertrags durch schuldrechtliche Nebenabreden regeln können, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht. Ein Formerfordernis besteht insoweit grundsätzlich nicht. Auch können der GmbH-Vertrag und die schuldrechtliche Nebenabrede auseinanderfallen. Eine Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Nebenabrede ist hieraus nicht abzuleiten. Da die GmbH im entschiedenen Fall selbst nicht Vertragspartei der schuldrechtlichen Vereinbarung war, kann sie die Abrede als Vertrag zu ihren Gunsten als Dritte (§ 328 BGB) dem Anspruch auf Zahlung der aus dem Gesellschaftsvertrag folgenden Abfindung entgegenhalten.

Das Ergebnis ist zutreffend, jedoch wäre durch eine bessere Gestaltung, insbesondere entsprechende Satzungsregelungen, der Gesellschaft ein Verfahren bis zum Bundesgerichtshof erspart geblieben.

 

 

BGH, Urteil vom 09.11.2009, Az.: II ZR 16/09

 

HGB § 172 Abs. 4

Keine Verpflichtung zur abstrakten Erläuterung der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB

Nach diesem Urteil des BGH besteht keine Verpflichtung zur abstrakten Erläuterung des § 172 Abs. 4 HGB im Anlageprospekt einer Publikums-KG

Es reicht aus, wenn im Anlageprospekt einer Publikums-KG darauf hingewiesen wird, dass nach § 172 Abs. 4 HGB die Kommanditistenhaftung wieder aufleben kann, ohne dass diese  Rechtsvorschrift abstrakt erläutert wird.  

 

BGH, Urteil vom 20.07.2009, Az. ZR 273/07 CASH POOL II

GmbHG § 19 Abs. 5

 

1. Die Einzahlung der Einlage auf ein Konto, das in einen dem Inferenten zuzurechnenden Cash-Pool zuzurechnen ist, ist eine verdeckte Sacheinlage, wenn der Saldo auf dem Zentralkonto des Cash-Pools im Zeitpunkt der Weiterleitung zulasten der Gesellschaft negativ ist, andernfalls liegt ein Hin- und Herzahlen vor.

 

2. Inwieweit bei einer als verdeckte Sacheinlage zu behandelnden Einzahlung der Inferent die nicht wirksam erbrachte Einlage noch einmal leisten muss, hängt davon ab, ob und in welcher Höhe die Gesellschaft durch die Einlagezahlung von einer Forderung des Inferenten befreit wird, die sie - ohne diese Einlagezahlung - aus ihrem Vermögen erfüllen könnte.

 

3. Liegt ein Hin- und Herzahlen vor, befreit dies den Inferenten von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG n.F. erfüllt sind, die auf eine die Einlagepflicht substituierende Vereinbarung getroffen wird, die auf ihrer Grundlage erbrachte Leistung durch einen vollwertigen, jederzeit fälligen oder durch fristlose Kündigung fällig werdenden Rückzahlungsanspruch gegen den Inferenten gedeckt ist und der Geschäftsführer diese Umstände bei der Anmeldung nach § 8 GmbHG angibt.

 

Anm Rechtsanwalt Dr. Claussen: Der BGH hatte in diesem Fall eine komplexe doppelgleisige Prüfung aus altem und neuem Kapitalaufbringungsrecht vorzunehmen. Es zeigt sich, dass das alte und neue Kapitalaufbringungsrecht nicht gut harmonieren und die Haftungsgefahren des Cash-Poolings auch nach dem MoMiG der genauen Prüfung und einer auf die Haftungsgefahren abstimmten Vertragsgestaltung bedürfen.

BGH, Beschluss vom 4.5.2009, Az.: II ZR 168/07

GmbHG § 47 Abs. 4

Stimmverbot der GmbH-Gesellschafterin wegen Befangenheit des Gesellschafters

Nach diesem Beschluss führt die Befangenheit des Gesellschafters einer GmbH-Gesellschafterin nach § 47 Abs. 4 GmbHG führt zu einem Stimmverbot der GmbH-Gesellschafterin selbst, wenn dieser maßgebend Einfluss bei der Gesellschafterin ausüben kann. Bei der Bestimmung des maßgebenden Einflusses sind die Anteile mehrerer Gesellschafter- Gesellschafter dann zusammenzurechnen, wenn sie wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung befangen sind.

 

BGH, Urteil vom 18.5.2009, Az.: - II ZR 262/07, Continental AG

AktG § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG

Mindestausgabebetrag bei Kapitalerhöhung

Nach diesem Urteil des BGH ist § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG teleologisch in der Weise zu reduzieren, dass im Fall einer bedingten Kapitalerhöhung gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG i.V. mit einer Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 2 AktG die Feststellung eines Mindestausgabebetrages der Bezugsaktien oder der Grundlagen für dessen Berechnung in dem Kapitalerhöhungsbeschluss genügt.

In einem Kapitalerhöhungsbeschluss sind danach Angaben über die Art und die Zahl der auszugebenden Aktien entbehrlich, wenn die Satzung nur einen bestimmten Aktientyp vorsieht und die Zahl der neuen Aktien sich anhand der bisherigen Einteilung des Grundkapitals (§ 8 Abs. 4 AktG) durch Rückrechnung aus dem Erhöhungsbetrag bestimmen lässt. Mit dieser Entscheidung hat der BGH den Handlungsspielraum von Vorständen bei der Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen erheblich erweitert. Nunmehr können Vorstände den Ausgabebetrag von neuen Aktien, die zur Bedienung von Wandlungsrechten oder -pflichten gegenüber den Schuldverschreibungsgläubigern ausgegeben werden, selbstständig festsetzen. Sie müssen hierbei nur den Mindestausgabebetrag, die aktuellen Kapitalmarktbedingungen und die übrigen Schuldverschreibungsbedingungen beachten.

 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2009, Az.: 3 Wx 85/09

GmbHG § 4 a

Eintragungsfähigkeit von Nicht-EU-Ausländern als Geschäftsführer einer GmbH

Auch ein Nicht-EU-Ausländer kann trotz fehlender Einreisemöglichkeit seine gesetzlichen Aufgaben als GmbH-Geschäftsführer erfüllen. Auf Grund der Neufassung des § 4 a GmbHG bedarf es vor der Eintragung auch keiner Überprüfung des Registergerichts zu der Frage, ob die Gesellschaft überwiegend im Ausland oder im Inland tätig sein wird.

Früher war für die rechtliche Beurteilung der Eintragungsfähigkeit der Bestellung von Nicht-EU-Ausländern als Geschäftsführer einer GmbH, dass für die betreffende Person die Einreise in das Inland jederzeit möglich ist.

Das OLG Düsseldorf verneint diese Voraussetzung aus zwei Gründen:

Die Neufassung des § 4 a GmbHG bringt klar zum Ausdruck, dass der Verwaltungssitz einer deutschen GmbH an jedem beliebigen Ort im Ausland sein kann, und damit auch ihre Geschäfte aus dem Ausland tätigen kann.

Daneben besteht die Möglichkeit, dass der Geschäftsführer sich für bestimmte Anmeldungen zum Handelsregister kraft notariell beglaubigter Vollmacht vertreten lassen kann, so dass sein persönliches Erscheinen nicht zwingend erforderlich ist.

Anm. Rechtsanwalt Dr. Claussen: Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie setzt die neue Rechtslage nach Inkrafttreten des MoMiG klar und unmissverständlich um.

 

OLG Thüringen, Beschluss vom 22.8., Az.: 6 W 244/07, GmbHR 2007, 1109

GmbHG § 66 Abs. 5, AktG § 273 Abs. 4

 

Eintragung eines Nachtragliquididators einer im Companies House gelöschten Limited in das Deutsche Handelsregister

 

Nach diesem Beschluss fällt das in Deutschland belegene Vermögen einer wegen Nichterfüllung ihrer Publizitätspflichten gelöschten Ltd. nicht an die englische Krone.

 

Für das in Deutschland belegene Vermögen besteht die Ltd. trotz ihrer Löschung als Restgesellschaft fort, für die ein Nachtragsliquidator vom Registergericht zu bestellen ist.

 

Anm. Rechtsanwalt Dr. Claussen: Alternativ ist relativ kostengünstig die Wiedereintragung im englischen Companies House möglich. Dies dürfte im Hinblick auf die Entscheidung Centros (EuGH vom 9.3.1999, RS. C-212/07), nach der das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats (Ort der Eintragung) maßgeblich ist, der juristisch zutreffende Weg sein.

 

 

 

BGH, Urteil vom 23.10.2006, Az: II ZR 192/05

 

BGB, § 730

 

GbR: Auseinandersetzung bei unzureichendem Gesellschaftsvermögen

 

Ist in einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden, können etwaige Ausgleichsansprüche unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend gemacht werden, ohne dass es einer - von den Gesellschaftern festgestellten - Auseinandersetzungsbilanz bedarf. Streitpunkte über die Richtigkeit der Auseinandersetzungsrechnung können ohne Bilanzerstellung im Rahmen eines Prozesses über den Ausgleichsanspruch entschieden werden.

 

 

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